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Kurz vor fünf Uhr erwache ich, sehe zum Fenster hinaus und versuche mich davon zu überzeugen, daß heute die Nacht für mich zu Ende sei. Ein klarer Himmel verspricht, wenn schon kein Morgenrot, so doch eine schöne Sonnenaufgang. So stehe ich um fünf Uhr auf Deck 9 und sehe die Küste Norwegens erwachen. Außer mir sind nur noch einige wenige Menschen an Bord; die anderen schlafen noch.
Leichte Wolkenschleier färben sich tatsächlich purpurrot und ergeben einen feinen Kontrast zum ansonsten tief dunkelblauen Himmel und den weiß verschneiten Gipfeln der Berge. -
Zwischendurch legen wir kurz in Nesna an, doch das ist angesichts des Himmels heute nur eine Nebenepisode. Das Purpur geht in Tiefrot und später in Orange über, und jetzt beginnen auch die Berggipfels im Licht der aufgehenden Sonne zu glühen.
Es ist immer wieder ein Erlebnis, zu beobachten, wie ein solcher Tag anbricht. Auch auf meiner ersten Reise hatte ich dieses Erlebnis. Der Preis, den man zahlt - die Überwindung, aus den warmen Federn zu kriechen, ist gering gegenüber dem Naturerlebnis.
- Nachdem ich mich beinahe anderthalb Stunden draußen aufgehalten, den Eindruck des beginnenden Tages genossen und schöne Fotos geschossen habe, krieche ich noch mal kurz ins Bett. Kurz vorm Frühstück haben wir die Ehre, der "Trollfjord" zu begegnen, dem Schiff, mit dem wir vor zweieinhalb Jahren fuhren. Begegnen sich zwei Schiffe, grüßen sie sich; wobei das südgehende Schiff beginnt. Tagsüber ertönt das Schffshorn, nachts wird mit den Scheinwerfern geblinkt.
- Als nächsten Ort laufen wir Ørnes bei schönstem sonnigem Winterwetter an. Der kleine Ort liegt idyllisch eingebettet in eine Berglandschaft; nicht weit entfernt von den beiden Gletschergebieten Engabreen und Svartisen (Schwarzeis). Gleich neben dem Anlegeplatz unseres Schiffes befindet sich ein kleiner Jachthafen. Wir vertreten uns kurz die Beine, doch mehr als einmal rund ums Hafengebiet ist bei diesem kurzen Zwischenstop nicht drin.
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Damit uns die Zeit nicht zu lang wird, wartet bereits der nächste Höhepunkt auf uns: Wir überquerten am Morgen den Polarkreis. Dazu wurden wir tags zuvor aufgefordert, den genauen Zeitpunkt der Passage vorherzusagen. Dem Gewinner winkte ein Sachpreis.
Gegen 7:19 begaben wir uns also in nördliche Gewässer, und aus diesem Grund erbitten wir den Segen des Meeresgottes Neptun und sicheres Geleit für Schiff, Mannschaft und Passagiere.
Unter Deck in der Panoramalounge findet die uns schon bekannte Zeremonie statt - die Polartaufe unter Aufsicht Neptuns persönlich: Niederknien von dem großen Bottich voller Eiswürfel und demutsvolles Erwarten des Moments, wo die Eiswürfel die Kelle verlassen und in den Nacken rutschen. Ganz besondere Mühe geben sich der Reiseleiter und Neptun immer dann, wenn eine hübsche junge Frau vor ihnen kniet... Anschließend gibts ein Glas Schnaps, um sich von den Mühen der Taufe zu erholen, und eine Urkunde. Allerdings werden diesmal die Urkunden ohne eingedruckten Namen ausgeteilt, und wer die Taufe nicht über sich ergehen läßt, bekommt auch keine Urkunde. Schade!
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Mittags legt das Schiff in Bodø an, und wir bummeln durch das nahe Stadtzentrum und zum Jachthafen, bei Minusgraden und Sonnenschein, aber etwas weniger Schnee. Es ist recht glatt, und wir müssen aufpassen, daß wir nicht ins Wasser rutschen.Zurückgekehrt, verbringen wir viel Zeit an Deck, um einen ersten Blick der Lofotwand zu erhaschen. Je mehr wir uns den Lofoten nähern, umso diesiger und bewölkter wird es, doch die See ist bei dieser Überfahrt über den Vestfjorden ruhig und bemerkenswert glatt.
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- Zum Abendessen, in der Zeit der Blauen Stunde, erreichen wir Stamsund und laufen wieder aus, noch ehe das Essen vorüber ist. Danach sitzen wir noch lange in der Panoramalounge und betrachten uns die Lofoten, bis die Dunkelheit hereinbricht. In Svolvær legt das Schiff gegen 21:00 an, und wir betreten erstmals durch das neu eingerichtete gläserne Terminal die Stadt. Wir kennen schon die Wege, die wir in den verbleibenden 90 Minuten gehen werden: durch eine verschneite Stadt am Ufer entlang bis zu den Rorbuers. Ich habe wie immer abends das Stativ dabei und schieße einige Fotos, darunter auch unser hell erleuchtetes Schiff auf dem Wasser.
- Zurück auf dem Schiff müssen wir uns in der Kabine erst etwas ausruhen, ehe ich wieder hinausgehe ganz nach vorn, zum Bug des Schiffes. Es ist sehr zugig, und ich werde auf eine harte Probe gestellt, weil ich unbedingt die Durchfahrt durch den Raftsund (wo dem wir vor acht Monaten noch campiert hatten) erleben will. Zu sehen ist ohnehin nichts; die schmale Passage is weitestgehend unbewohnt. Wir sind schon ziemlich durch, am Campingplatz vorbei und kurz vor der Brücke, und ich freue mich auf meine Kabine, wo ich mich endlich aufwärmen kann. Eine langgezogene Wolke, ein leicht bogenförmiges Band quer über den Himmel, fast im Zenit, erregt meine Aufmerksamkeit.
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Sie will nicht vorüberziehen und scheint angeleuchtet zu werden - nur wovon? Hier ist keine Ortschaft in der Nähe... Eine 30s- Aufnahme mit der Kamera würde Klarheit schaffen und ist schnell bewerkstelligt. Und siehe da - die Wolke leuchtet grün. Ich habe gegen Mitternacht das erste Polarlicht auf dieser Reise eingefangen.
Es stehen noch ein paar Personen vorn, und ich versuche ihnen auf englisch zu erklären, das sei Polarlicht, aber noch nicht ganz so richtig, weil die ganze Dynamik fehlt. Kerstin wurde mittlerweile geweckt - erst von mir, kurz danach per Telefon (ein Service, den man bei der Rezeption bestellen kann) und kommt verschlafen an Deck. Meine EOS 400D versagt unerwartet kurz ihren Dienst, und so bin ich auf dem Höhepunkt der Ereignisse damit beschäftigt, die Kamera (wir hatten noch die 300D dabei) zu wechseln...
Die meisten Passagiere ziehen sich nach dem kurzen Schauspiel wieder zurück. Ich harre noch bis Stokmarknes aus, in der Hoffnung, im Hafen auf einem nicht rollenden Schiff noch ein paar Fotos zu schießen, doch es ist für heute vorüber. Außerdem wird der Bug des Schiffes, während es in einem Hafen liegt, taghell erleuchtet. So beende ich diesen Tag gegen ein Uhr nachts mit einer hoffnungsvollen Aussicht auf kommende Polarlichter.
Fahrt mit der MS "Finnmarken" März 2008
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