-
-
-
-
Sa 19.6.
Auch nachts und am Morgen fällt Regen, mit 11.5°C ist es kühler. Nach ausgiebigem Studium der Wetterkarte beschließen wir, hier noch einen Tag zu bleiben, denn die Aussichten für den Norden sind nicht besser. Also fahren wir wieder nach Grong, erledigen unsere Einkäufe und suchen zum Mittagessen Schutz unter einer überdachten Bank.
Dann fahren wir zum Bahnhofsgebäude, mit einer hübsch eingerichteten Wartehalle. Allerdings kommt um diese Zeit kein Zug; nur etwa sechsmal täglich halten hier Züge nach Trondheim oder Bodø.
Nur wenige Kilometer von Grong entfernt kann man den Tømmerasfossen besichtigen. Er ist unser nächstes Ziel.
-
-
Nach kurzem Suchen finden wir den Abzweig, eine schmale Straße ans Ufer eines kleinen Sees, der sich als breite Stelle des Flusses Sanddøla erweist. Über große, vom Wasser glattgeschliffene Felsblöcke und einen schmalen Pfad kann man entlang des Flusses entlanglaufen, eine kleine Schutzhütte ist auch vorhanden.
Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen, und wir laufen vorsichtig über nasses Gestein und feuchten Boden flußaufwärts. Jetzt zeigen sich erst die Ausmaße des Fossen; er rauscht kilometerlang durch eine steinerne Rinne und über gewaltige Felsblöcke. Wir gehen bis zur nahen Eisenbahnbrücke, ehe wir zurückkehren, im kleinen Unterstand unser Gebäck verzehren und zurückfahren. Am Lachsaquarium halten wir kurz an, aber das schließt in einer Stunde, und eine Besichtigung lohnt sich nicht mehr.
Vom Campingplatz aus machen wir noch einen kleinen Spaziergang zur nahen Kettenbrücke, die einen Staudamm überquert. Der Fluß Namsen wird an mehreren Stellen angestaut und zur Energiegewinnung genutzt. Es hat wieder etwas geregnet, Wind kommt auf. Nach dem Abendessen im warmen Aufenthaltsraum, spät am Abend machen wir noch eine kleine Runde durch den Ort. An seinem anderen Ende gibt es »Moa Camping«. Ein Schild weist darauf hin, daß der Platz mit Saisonende endgültig schließt - schade. Wit kehren zurück und biegen in den »Kultursti« nahe unseres Platzes ein. Der Kulturstieg führt ins hügelige Gelände, entlang eines Baches. Wo hoch über uns der Bahndamm verläuft, hat man den Bach untertunnelt. Hier ist der Weg gesperrt, und wir kehren um. Die Wolken nehmen eine leicht rostrote Färbung an. Ist das ein Hinweis auf besseres Wetter?
-
-
So 20.6.
Wir wachen bei Sonnenschein auf, der allerdings noch durch kurze Regenschauer unterbrochen wird. Es ist mit 10°C ziemlich kühl. Beim Abbau des Zeltes ziehe ich mir einen Hexenschuß zu, und für die nächsten Tage laufe ich wie ein Greis gebeugt durch die Welt. Doch die Sonne hat unser Zelt getrocknet, und guten Mutes fahren wir weiter. Da im Norden noch immer noch keine Wetterbesserung erkennbar ist, disponieren wir um und entschließen uns, auf die Insel Leka zu fahren, die zwischen Namsos und Bronnøysund nahe des bekannten Berges Trollhatten liegt.
-
-
Noch ziehen viele finstere Wolken über den Himmel. In Gartland verlassen wir die E6. Hinter Flakken liegt an einem kleinen See ein Vogelschutzgebiet mit Beobachtungsstand, und wir legen eine kurze Rast ein. Aber außer einer kleinen Herde junger Rinder ist nichts zu sehen.
Die Gegend ist bergig, waldreich und die Straße kurvig. Wir fahren entlang des Indre Folda, einer Verlängerung des Foldafjords, leicht bergauf über die imposante Foldabru. Vor einem kurzen, aber heftigen Regenschauer retten wir uns auf einen überdachten Rastplatz mit Brückenblick. Es ist noch etwas kälter geworden; wir messen 7,5°C.
-
-
Zu beiden Seiten der bergauf führenden Straße nähern sich schroff aufragende Felswände, über die Wasserfälle rauschen. Oben liegen noch Schneereste. Wir überqueren die Grenze zur Kommune Nordland, bleiben auf dem rechts abbiegenden Rv17. Am Kolbotn legen wir eine kurze Rast ein.
Es wird allmählich sonniger, die Strecke wird kurvenreicher und bergiger. Den Sørfjorden streifen wir kurz. Rechts ragen drei markante Berge des Hjornfjellet in den Himmel; der Gipfel des 1063 m hohen Heilhornet liegt in den Wolken.
-
-
Nach kurzer Überlandfahrt erreichen wir schließlich die Fähre in Gudvik, doch wir können uns Zeit lassen, denn die nächste Fähre geht in einer Stunde. Wieder ziehen Regen- und Graupelschauer über uns, gefolgt von Sonnenschein.
Die Überfahrt nach Leka dauert 20 min. Über der Insel liegen dunkle Wolken, und wir werden in Skei mit Regenschauern empfangen. Einige km östlich liegt der (einzige) Campingplatz. Dort wollen wir ein paar Tage verbringen.
-
-
Der Grasplatz liegt im Hinterland, eine steile Auffahrt (für Gespanne gesperrt) führt zu den Hütten und Stellplätzen für Caravans. Der Platz ist noch wenig belegt; wir dürfen das Zelt zwischen den Steinhütten 8 und 9 aufbauen und haben so Windschutz durch das Gebüsch.
Der Vorteil ist der grandiose Panoramablick, den man von hier oben auf die Schären und das Festland hat. Wer hierher kommt, sollte versuchen, dort oben einen Platz zu bekommen.
Wir bauen unser Zelt im Sonnenschein auf und können uns nicht sattsehen an der Umgebung, genießen während der Mahlzeiten den Ausblick, die ruhige Abendstimmung.
-
-
Gegen 19:00 fährt in einiger Entfernung das südgehende Schiff der Hurtigruten vorbei; heute ist es die »Polarlys«. Abends gegen 22:30 kommt das nordgehende Schiff, und wir erkennen die »Trollfjord«, auf der wir selbst schon fuhren. Trotz Sonnenscheins ist es ziemlich kühl.
Im nahen sehr geräumigen und gemütlichen Gemeinschaftsraum sehe ich mir eine Halbzeit Brasilien-Elfenbeinküste (3:1) an. Vor Mitternacht komme ich nicht ins Bett, denn es gibt noch ein unerwartetes Abendrot zu bewundern. Mit 7.5°C bleibt es weiterhin kühl.
-
-
Mo 21.6.
Nachts und auch morgens regnet es; die Wolken hängen tief über der See. Schade, nach diesem schönen Abend gestern. Doch schon nach dem Frühstück hellt sich der Himmel auf, vereinzelt zeigt sich blauer Himmel, und die Regenfront zieht weiter Richtung Festland. Wir freuen uns über diese Entwicklung; wollen wir doch heute die Insel erkunden.
Nach einigen Kilometern Fahrt Richtung Nordspitze endet die Straße, und es beginnt der »Skeisnesset Kultursti«. Es werden mehrere Rundwege von unterschiedlicher Länge angeboten; der Abenteuerpfad, der Panoramapfad, der Familienpfad...
-
-
Wir wählen zunächst den Geologiepfad, der am Ostufer entlangführt. Schautafeln erläutern uns die Besonderheiten der Insel. Die Insel setzt sich aus unterschiedlichen Gesteinsschichten zusammen; hier finden sich auf engstem Raum Gesteine sowohl aus dem Erdmantel als auch der ozeanischen Kruste. Das Serpentin, aus dem westlichen Mittelteil der Insel besteht, und das erst im Verlauf der letzten Eiszeit herausgehoben wurde, gehört zu den jüngsten Gesteinsarten unserer Erde.
Wir werden auf unseren Spaziergängen mißtrauisch verfolgt von Austernfischern und Schnepfen, die ihre Jungen zu bewachen haben. Das Gelände ist leicht begehbar, wellig ohne große Erhebungen und führt durch eine Landschaft, die dominiert wird von Moose und Flechten, kleinen Birken.
-
-
Nach dem ersten Rundweg sind wir am Parkplatz zurück, legen eine Mittagspause ein und gehen einen anderen Pfad, wobei wir zwei junge Rehe aufschrecken. Wir wandern Richtung Nordostspitze, wo wir das heutige Hurtigrutenschiff erwarten, das hier in näherer Entfernung vorbeizieht. In der Ferne grüßt der Trollhatten, der sagenumwobene Berg mit dem Loch. Auch dazu gibt es später noch etwas zu sagen.
Wir haben uns mit der Uhrzeit der Schiffspassage etwas vertan und müssen länger warten als vorgesehen. Endlich kommt sie von Norden, die «Richard With».
-
-
Nun können wir zurückkehren, wobei wir einem Steinhaus am Weg noch eine kurzen Besuch abstatten. Es wurde vom Besitzer den Wanderern kostenlos zur Verfügung gestellt, man kann dort feiern oder auch übernachten. Abgegolten wird es entweder in Form einer kleinen Geldspende oder, indem man sich nützlich macht; etwa Brennholz sammelt.
Am Abend bewölkt sich der Himmel, es wird windig, und wir bedauern etwas, daß wir nicht einen so schönen Abend verleben können wie gestern. Es ist mit 8°C weiterhin recht kühl, bleibt aber trocken.
-
-
Abends zieht die »Nordlys« nordwärts, von ein paar späten Sonnenstrahlen beleuchtet. Wir unternehmen einen kleinen Spaziergang den Berg herunter zum kleinen Hafen, der gut besucht ist: Deutsche Urlauber mieten sich häufig ein Boot, fahren hinaus zum Fischen und kehren abends heim, wo sie ihren Fang am Waschplatz säubern, ausnehmen und zum Einfrieren präparieren.
Der Platz füllt sich etwas, ein paar Hütten werden belegt, und wir treffen einen jungen Mann aus Dresden, der gerade seinen Zivildienst beendet hat und vor seinem Studium per Fahrrad bis hoch zu den Lofoten radeln will. Respekt vor all denen, die mit dem Fahrrad in Norwegen unterwegs sind!
-
-
Di 22.6.
Nachts war es trocken, und morgens ist es mit 11°C auch wieder etwas wärmer, doch es ist windig. Wir bleiben noch eine Tag auf der Insel, die wir heute mit dem Auto umrunden werden. Wir fahren linksherum, biegen bei Husby auf eine nicht asphaltierte Straße ab, die mit Schlaglöchern reich gesegnet ist.
Das Land auf dieser Seite ist eine Fundgrube für Geologen. Der Ophiolit, ein hellbraunes Gestein, kantig, bröckelig, sehr verwittert, verwandelt die Gegend in eine Mondlandschaft. Es ist die besterhaltene Struktur ihrer Art in ganz Europa, und erhebt sich zusammen mit anderem Gestein bis in eine Höhe von 350 m.
-
-
Und überall stehen Schautafeln; wirklich vorbildlich. An einer Stelle klaube ich mir einen Stein auf, der aus zwei unterschiedlichen Gesteinsarten, dem grünlichen Olivin und dem blaugrauen Chromit, besteht. Wir halten kurz darauf noch an einer anderen Stelle, an der Gesteinsmaterial abgeschüttet wurde - eine Fundgrube für Gesteinssucher.
-
-
Und dann gibt es noch die über die Region hinaus bekannte Begebenheit: den »Ørnerovet« oder Adlerraub. 1932 wurde ein etwa 3,5 Jahre altes Mädchen von einem Adler geraubt und zu seinem Adlerhorst verschleppt. Suchtrupps fanden das Mädchen später unversehrt etwas unterhalb des Adlerhorsts. Plausibel schien die Geschichte, weil die Bergsteiger erklärten, daß das kleine Mädchen aus eigener Kraft nicht hätte dort hinauf klettern können.
Am Berg sind zwei Stellen markiert; ein roter Punkt weist auf das Adlernest hin, und ein etwas tiefer liegender weißer Punkt bezeichnet die Stelle, an der das Mädchen gefunden wurde.
-
-
Dann fahren wir weiter, und nicht viel später gibt es erneut Gelegenheit zum Halt: Es führt ein schmaler Pfad bergauf zu einer Höhle, die bis auf sonnabends, wenn Führungen stattfinden, verschlossen ist. Man kann sich zwar den Schlüssel dafür im Ort abholen und die Höhle auf eigene Kraft erforschen, aber das wußten wir da noch nicht. So steigen wir wieder hinab und setzen die Rundfahrt fort.
Es gibt noch eine Sehenswürdigkeit auf dieser Insel, und sie ist der reichen Sagenwelt Norwegens entlehnt, die bevölkert ist von mystischen Gestalten und Trollen: Lekamøya, eine der versteinerten Gestalten aus der Sage von Hestmannen, dem wilden Sohn des Trollkönigs Vågakallen, der in Liebe zu Lekamøya entbrennt, jener Magd (andere Versionen nennen sie eine Königstochter), die auf die sieben hübschen Töchter des Trollkönigs Sulitjelma aufpassen soll und mit ihnen zusammen ein Bad im Meer nimmt. Der wilde Hestmannen erblickt sie, er wird von der Lust übermannt und setzt den Damen nach. Die sieben Schwestern werfen sich nach kurzer Flucht ermattet nieder, nur Lekamøya flieht weiter nach Süden, Richtung Leka. Da legt der erschöpfte Hestmannen nahe Brønnøysund einen Pfeil in seinen Bogen ein. Das wiederum sieht der dort ansässige Sømnakongen, wirft seinen Hut dazwischen, den der Pfeil aufhält und somit das Leben der wackeren Lekamøya rettet. Die aufgehende Sonne beendet das Drama und läßt alle Beteiligten zu Stein erstarren.
-
-
Der durchlöcherte Hut wird zum Berg Torghatten, die sieben Schwestern sind hintereinander aufgereiht als Gipfel einer Bergkette zu sehen. Auch Hestmannen und Vågakallen sind als markante Berge geblieben. Lekamøya schließlich steht als markante, vielleicht zwölf Meter hohe Steinfigur auf der Südwestseite der Insel, etwa anderthalb Kilometer landeinwärts.
Um sie zu besuchen, kann man eine knapp halbstündige Wanderung bergauf unternehmen. Anfangs führt der Weg straff bergauf, über Fels und birkenbestandenes Gebiet, dann geht es weiter auf einem Plateau, manchmal etwas morastig, durchzogen von Moosen und Beeren, um dann das letzte Stück noch einmal bergauf über Felsen zu führen. Oben tragen wir uns in das »Gipfel«buch ein und kehren nach kurzer Rast zurück zum Auto.
-
-
Ehe unsere Rundfahrt beendet ist, folgen wir noch einem Hinweisschild, fahren auf einem Schotterweg zum Strand und halten dort unsere Kaffepause ab. Hier bläst der Wind ziemlich frisch, aber der Himmel ist blau und die Sonne scheint.
Als wir zurückkehren zum Zelt, können wir gerade noch die Passage der »Lofoten« miterleben (ein wirklich kleines Schiff, das älteste der Hurtigrutenflotte!). Abends fährt dann die »Richard With« der Mitternachtssonne entgegen. Hier allerdings hat sich der Himmel wieder bewölkt; wir messen 10°C.